marks blond project - r.F.Z.K.

48. jean claude freymond-guth (zürich)

«slave to the rhythm»

• opening: 18.08.05, 19 uhr • exhibition: 18.08 - 23.08.05

 

 

«Slave to the rhythm» photo david aebi

 

 

Von der Situation eines Schaukastens ausgehend, spielt Slave to the rhythm mit Erwartungen und Gewohnheiten der PassantInnen. Ein zugebretterter Strip Schuppen im beschaulichen Berner Längass Quartier? Fragile Zeichnungen von jungen Männern in halbstarken Posen und nicht grelle Fotos von von sexy Mädchen im Aushängekasten? Durch die Ritzen der mit Abfallholz verkleideten und anscheinend mit vandalistischen Sprüchen bearbeiteten Schaufensterfront ist das angedeutete Setting eines Striptease Lokals zu erkennen: eine billige Lichtshow, dumpfe Musik (Slave to the rhythm von Grace Jones), in der Mitte des Raumes eine Go-Go Stange. Ein sich im Wind bewegender Lametta Vorhang scheint anzukünden, dass die Show jede Minute beginnen wird, oder eben gerade zu Ende ist. Die Tänzerin erscheint jedoch nicht, oder nicht mehr. Oder vielleicht ist sie gar nie erschienen.

Slave to the rhythm will vielmehr Fragen aufwerfen als klare Aussagen machen. Wer ist hier wessen Sklave? Wer bestimmt welchen Rhythmus? Und wer tanzt hier überhaupt für wen? Fragen nach der Zugehörigkeit von Geschlechterrollen, nach Objekt und Subjekt von Lust und Begierde, unserer aller Gewohnheiten und Erwartungen. Einzig die feinen Bleistiftzeichnungen sind hierbei vielleicht als mehr oder weniger deutlichen Hinweis auf die Zerbrechlichkeit von Männerbildern und Verwundbarkeit von Männern als solche zu verstehen. Der Mann als ungewohntes, tabuisiertes Objekt der Begierde wird in seiner Enthüllung und Pose unendlich verletzbar.

 

Ausgehend vo persönlichen Reflexionen über Gender und Feminismus Fragen, welche auf den Satz „Male abuse of power isn’t primarly a female problem“ reduzieren werden konnten, ist es das Anliegen Fragen nach männlichem Missbrauch von Macht und männlichen Machtstrukturen aus einer männlichen Sicht zu äussern. Dabei ist die Überzeugung zentral, dass ebensolche Strukturen, Muster und Verhältnisse nicht verändert werden können, wenn sich Männer nicht als integralen Teil dieser Bewältigung verstehen, und es stets Frauen überlassen wird, die Öffentlichkeit auf diese Anliegen aufmerksam zu machen.

Slave to the rhythm steht am Anfang einer künstlerischern Auseinandersetzung mit Fragen zur Identifikation von Geschlechter- und Gesellschaftsrollen, und will demnach auch weniger eine präzise Aussage machen. Es geht vor allem darum, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, Männer als zentralen Punkt in der Geschlechter Debatte zu sehen. Hierbei dient der Satz „realise your vulnerability“ (realisiere deine Verwundbarkeit) als zweites Leitmotiv: über die Erkenntnis seiner Verwundbar soll die Rolle des Mannes überhaupt erst in den Diskurs mit eingebracht werden. Weniger der Mann als machtmissbrauchendes Ungeheuer, sondern für einmal als verwundbares Objekt der Begierde. Da dieses Männerbild jedoch nicht der Realität entspricht, bleibt die Striptease Show auch ohne Darsteller. Das Sinnbild des Striptease Tanzes scheint hierfür gleichzeitig plakativ wie auch universal, die Stange stilisiertes Fetisch.

Slave to the rhythm nimmt formal als auch inhaltlich Aspekte bisheriger Arbeiten auf: so werden zerkratzte Holzstücke und fragile Bleistiftzeichnungen verwendet. Auch nimmt ein Song einen zentralen (Deutungs-) Aspekt ein. Die als Gravuren in der das Schaufenster verkleidenden Holzwand grafitiartigen einarbeiteten Sprüche und Zeichnungen, stammen jedoch nicht aus Popsongs, sondern sind grösstenteils Kopien von Schmierereien aus öffentlichen Klos, unterlegt mit einigen wenigen eigenen Sprüchen und Zeichnungen.

Das immer wiederkehrende Thema der Zugehörigkeit und deren Zerbrechlichkeit wird bei Slave to the rhythm nicht wie bei früheren Arbeiten aufgrund von Erinnerung und deren Vergänglichkeit verarbeitet, sondern dreht sich um Fragen nach der Zugehörigkeit zu Geschlechterrollen und den damit verbundenen Erwartungs- und Verhaltensmustern.

 

Jean-Claude Freymond-Guth, im August 2005

 

 

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